Ich bin immer wieder stolz, wenn ich Artikel von Piraten-Parteitagen lese, denn meist werden sie mit meinem lieben Stadtverordnetenkollegen Gregory Engels bebildert, wie hier beim Bericht über den jüngsten "Gaga-Parteitag" (Bild-Zeitung), bei dem u.a. über "Zeitreisen" diskutiert wurde.
Es
wäre jedoch zu kurz gesprungen, diese Partei auf solche abstrusen Diskussionen zu verengen. Denn es gibt den Piraten durchaus intelligente, engagierte, hochpolitische
Menschen. Gut, dass die sich engagieren. Der häufig bemühte Vergleich zur Gründung der
Grünen mit ihren Chaos-Parteitagen greift aber ebenfalls zu kurz. Die Grünen hatten Ende der 70er Jahre mit
der Umweltbewegung, der Friedensbewegung und der Emanzipationsbewegung
drei wichtige, inhaltlich determinierte "Keimzellen". Die Piraten
speisten sich lediglich aus einer Kritik an Staatseingriffen im
Internet. Daraus suchten sie offenbar zunächst zwei Wege zu beschreiten
1. die Profilierung als "Bürgerrechtspartei", 2. die Profilierung als
"Protestpartei". Ich bezweifle ausdrücklich, dass es für eine reine
"Bürgerrechtspartei" einen Markt gibt. Erfolgversprechender erscheint
die Positionierung als intellektualisierte Protestpartei. Allerdings ist
das Wählerpotenzial dafür sehr fluide, wechselt also gerne. Erfüllen
Protest-Parteien nicht die Erwartungen, die sie erweckt haben, halten
sie also einem Realitätscheck nicht stand, werden sie erbarmungslos
abgestraft. Hier findet sich möglicherweise eine Parallelität zur FDP
nach 2009, die aber den Vorteil hat - wenn auch unvollkommen - eine der
drei großen geistesgeschichtlichen Strömungen zu vertreten.
Nichtsdestotrotz bleibt es m.E. die einzige Chance der Piraten, sich als
Protestpartei zu verorten, gewissermaßen als Volkspartei der Jüngeren
und dabei inhaltlich diffus zu bleiben. Denn dass die inhaltlichen
Konzepte überzeugender werden als die der "Etablierten" ist für kaum
einen Bereich zu erwarten. Für die Piraten gibt schlicht keine
inhaltliche Marktlücke. Für die Existenz der Piraten kommt bedrohlich
hinzu, dass der klassische Durchschnitts-Nerd und das klassische Durchschnitts-Mitglied einer
Neupartei in der Regel eben kein besonders sozialkompetentes Wesen ist. Das mag bei
den Grünen ähnlich gewesen sein... nur hatten die eben
wirkungsmächtigere gesellschaftliche Strömungen hinter sich, so dass sie
sich allmählich etablieren konnten.
In Offenbach schätze ich die Kollegen der Piraten durchaus. Ihr aktuelles Bemühen mit einem Bürgerentscheid, die Klinik-Privatisierung zum Scheitern zu bringen und damit automatisch eine Insolvenz zu verursachen, obwohl sie noch vor einem Monat eine Privatisierung besser fanden als weiteres herum dilettieren der Kommunalpolitik, zeigt, dass sie sich zwischen Verantwortungsethik und Populismus noch nicht entschieden haben.
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