Eine Gesellschaft hat Regeln. Z.B. Cappuccino trinke man nur vormittags, zum Drehen der Spaghetti nutze man bitte keinen Löffel und zwischen den Sätzen eines Stücks klatscht man nicht!
Die Konzerte der von Ralph Ziegler geleiteten
Neuen Philharmonie Frankfurt im
Offenbacher Capitol sind durchaus eindrucksvoll. Und sicher auch ein Treffpunkt des "Bildungsbürgertums" der Stadt.
Erst seit wenigen Jahren ist Offenbach Standort der Philharmomie und damit Spielort für klassische Konzerte - das Capitol selbst wurde in der näheren Vergangenheit als Muscial-Haus und Disco genutzt (s. zur Geschichte des Capitols auch
Mark Medlocks Auftritt im Capitol). Die Stadtpolitik hatte über ein Jahrzehnt negiert, dass es in einer Stadt wie Offenbach auch eine Art Kristallisationspunkt für Hochkultur braucht.
Auch einer jahrzentelangen Konzertfreiheit mag es geschuldet sein, dass nicht jeder Konzertbesucher bei den gestrigen "Herbst-Farben" das ungeschriebene Gesetz kannte, nachdem zwischen einzelnen Sätzen eines Stücks zu klatschen, sich nicht ziemt, um das Gesamtkunstwerk und die Künstler nicht zu stören. Jedenfalls war zunächst deutlicher Applaus in den Pausen inmitten der Stücke vernehmbar.
In meiner Umgebung konnten sich einige ob dieses Lapsus gar nicht einkriegen und schimpften wie Rohrspätzchen über so viel Unbildung. Meine Sitznachbarin, eine profilierte, sehr nette und zuvorkommende Dame der Offenbacher Stadtgesellschaft, fasste sich ostentativ, sogar gleich mehrfach an den Kopf. Ich war versucht zu fragen, ob sie das mit den Spaghetti und dem Cappucio auch so in Rage bringt.
Dieser manieriert vorgetragene bildungsbürgerliche Dünkel störte übrigens die Umgebung und das Gesamtkunstwerk weit mehr als der richtige Respekt zum falschen Zeitpunkt, den eine Minderheit den Künstlern entgegenbrachte.
PS: Die
Regel mit dem Klatschen wird durchaus von profilierten Künstlern
in Frage gestellt! Klatschen zwischen den Sätzen war übrigens zu Beethovens Zeiten sogar üblich - wie eine kleine Netzrecherche ergab. Als immer Vorsicht bei allzuviel Political Correctness. Auch im Konzert.